Montag, 5. November 2007

Art.Fair 21

Das ist der Name einer Kunstmesse, die ich Samstagabend besucht habe. Es wurden Skulpturen, Malereien, Radierungen, Fotografien und Mischformen aus aller Herren Länder von verschiedenen Galerien dargeboten. Und die eine oder andere Galerievertreterin hielt sich selbst wohl für ein lebendes Kunstwerk. Meine rümpfende Nase war ihnen – der einen und anderen – gewiss. Ich stehe zeitgenössischer Kunst sehr kritisch gegenüber und finde oft keinen Zugang. Meine ganz persönliche Meinung ist, dass die Künstler von Heute es sich zu einfach machen. Da fehlt es mir an harter und vor allem instinktiver Arbeit, an Auseinandersetzung, an Themeneinfallsreichtum, schlicht an Können. Wo ist die Perspektive, wo die Farbenzuordnung, wo die Metapher und worum geht es eigentlich? Die meisten denken, wenn sie ein gesellschaftskritisches Thema aufgreifen, sind sie auf der sicheren Seite. Manches ist auch einfach nur dekorativ, manches sieht aus wie dahin gerotzt und bei manchem fühle ich mich einfach nur verarscht. Wie viel für dieses „Kunstwerk“? 9.900,00 EUR? Verhungern sollt ihr, Kretins!

Es wurde auch ein Award verliehen. Der Gewinner, wie ich eben online nachgesehen hatte, war immerhin auch mein Favorit. Wenn ich denn überhaupt bei den auserwählten Arbeiten einen Favoriten hatte. Mein Kunstverständnis hat mich also nicht verlassen. Eine Anwärterin meinte doch tatsächlich, sie könne absahnen, indem sie auf einer grünen Wiese etwa ein Dutzend (ich habe vor lauter Langeweile gar nicht nachgezählt) völlig verschiedene Stühle kreisförmig anordnete. Was will uns das wohl sagen? Gähn....! Ich leg mal die Füsse hoch, da mich das nicht vom STUHL reißen wird...! Na, habt ihr´s? Ich war nie in der Schule in der nachmittäglichen Kunst AG, ich habe nur Kunstgeschichte studiert, aber ich vermute, dass so etwas dort in der Kunst AG spätestens in der vierten Stunde besprochen wird. Die Stühle stehen für Menschen, verschieden geartete Stühle stehen für verschieden geartete (situierte) Menschen, verschieden farbige Stühle stehen für verschieden farbige Menschen, der Kreis bedeutet Einheit, Gleichheit und Gleichwertigkeit. Danke, Eins, setzen! Mal ehrlich: Dafür eine Auszeichnung? Da ist manches Kindergarten-Werk intuitiver. Ich bin zu Recht beleidigt.

Aber neben all dem Schrott gab auch etwa 10 Arbeiten, die mich tief beeindruckt haben. Interessanter Weise waren es meist afrikanische Künstler. Zwar war es hier - oder im Besonderen hier - nicht minder sozial- und gesellschaftskritisch aufgebaut, aber durchdachter, fordernder und schreiender. Da wurden afrikanische Alltagszenen im wahrsten Sinne des Wortes gepaart mit dekadenten barocken Akt- und Sexualdarstellungen. Andere Bilder waren übersäht mit alten afrikanischen Symbolen und nur mit Abstand erkannte das Betrachterauge in dem ganzen Gefüge einen großen starken Mann negroider Herkunft. Eine Art Op-Art aus dem schwarzen Kontinent. Ich war begeistert.

Nichtsdestotrotz muss mich wohl damit abfinden, dass die alten Meister lange tot sind und kein würdiger Nachwuchs in Sicht ist. Ich spreche von den Künstlern, die man in ihren Werken und Phasen wiederfinden konnte. Die ihr Leben, ihren Charakter und ihr Lebenswerk wie auch immer gestalterisch verewigt hatten. Die, die geschickt versteckt gegen die Religion und für die Wissenschaft und den Fortschritt aufgestanden sind. Die, die sich Ohren abschnitten oder nach Tahiti auswanderten. Die, die dem vorherrschenden Zeitgeist widersprachen. In unserer Zeit gibt es kaum Tabus, aber wer sich hier und heute Künstler nennen möchte (auch nach dem Tod meinetwegen) und "überleben" will, muss einfach diese Nischen finden. DAS ist die Herausforderung, damit profiliert sich ein Künstler, damit hatte jeder zu seiner Zeit in den verschiedenen Jahrhunderten und Epochen zu kämpfen. Die Menschheit möchte geschockt, gefordert, eingestimmt, beeindruckt und verstanden werden. Aber bitte nicht mit wahllos ausgequetschten Farbtuben und billigem Sujet, die einem Jahrmarkt der Primaten gleichen.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Toll geschrieben, auf den Punkt gebracht - Dekokunst - roter Punkt auf weissem Hintergrund - in 10 min reproduzierbar - 5,99 Ikea Gruselabteilung - direkt neben den schlechten Drucken und Kitschblüten in Pastelfarben - brrr. Tolle Frisur übrigens ;-)