Warten auf Mickey

„Ist er das?“ fragt meine Freundin J.

Es ist Donnerstagabend. 20 Uhr. Wir sitzen zusammen in ihrem Auto vor meinem Lieblingslokal, dem Pablo. Dort bin ich mit jemandem verabredet, dem ich noch nicht in natura gegenüber stand. Eigentlich wollte sie mich nur dort absetzen, aber da er noch nicht wie vereinbart davor auf mich wartet, es angefangen hat zu nieseln und ich nicht meine Frisur ruinieren will, warten wir zusammen unter dem Autodach.

Mel: Nein, das ist er nicht. Auf dem Foto hatte er keine schwarzen Haare und Banderas-Locken.
J.: Der sah aber nett aus.
Mel: Der hatte extreme X-Beine.
J.: Hihi, dann ist er wohl kein Fussballer.
Mel: Das könnte er sein...nein, der geht vorbei.
J.: Und der? Ach, nee. Der hat einen Jutebeutel in der Hand. Er wird wohl kaum vorher noch einkaufen gewesen sein.
Mel: Ich kannte mal einen, der hat den Lenker seines Fahrrads mitgebracht.
J. (abgelenkt): Da steckt man einfach nicht drin. Was ist mit dem, der da hinten kommt? Oh, Anzug und Aktenkoffer. Was macht er noch mal beruflich? Er ist doch kein Versicherungsvertreter?
Mel: Nein, nein. In etwa weiß ich ja, wie er aussieht.
J.: Ach, das ist so aufregend...was für ein Auto fährt er denn?
Mel: Keine Ahnung. Aber er müsste das Städte-Kennzeichen XY haben.

- Ein Auto mit Städte-Kennzeichen XY fährt vorbei -

J. und Mel gleichzeitig: Aaaaaaaaaaaah!!
J.: Ok, wenn er das war, dann wird er etwa noch 15-20 Minuten einen Parkplatz suchen, wir können also noch eine rauchen.

- Eine SMS erreicht mich: Suche Parkplatz! -

J.: Ich bin so aufgeregt!
Mel: Du?
J.: Ja, Du denn nicht?
Mel: Vielleicht hat er mich ja schon gesehen und ist längst auf dem Nachhauseweg.
J.: Niemals. Übrigens, Du hast die Haare schön. Da! Da! Das muss er sein. Er hat sich mehrere male umgeschaut und ist dann ins Pablo gegangen.
Mel: Wir sind davor verabredet. Außerdem ist er keine 1,90 m groß und ich glaube, dass er auch keine weißen Turnschuhe tragen wird.
J.: Hier laufen allgemein aber hübsche Männer rum. Ich finde das furchtbar interessant, hier so zu stehen und die Leute zu beobachten. Das sollte man häufiger machen.

- Handy klingelt. JETZT bin ich allerdings nervös, da ich auch noch nie seine Stimme gehört habe. „Ich habe endlich einen Parkplatz gefunden und bin in 2 Minuten da“ -

Und so war es auch. Ich saß ihm bei Tapas, Rotwein und Kerzenschein gegenüber, lauschte seinen Erzählungen und fragte mich die ganze Zeit, an wen er mich erinnert. Diese frechen Augen, dieses spitzbübische Lächeln mit einseitig hochgezogenem Mundwinkel.
Mel: Ich hab´s! Wenn Du lachst, siehst Du aus wie Mickey Rourke!
Er: Ähm, vor oder nach dem Lifting-Unglück?
Mel: Davor natürlich, zu 9 1/2 Wochen-Zeiten!

Danke Mickey, es war ein zauberhafter Abend! Simsalabim!