Montag, 11. Februar 2008

Bemerkenswert

Gerade auf dem Nachhauseweg habe ich ihm wieder einen Besuch abgestattet. Schon durch die Glasscheibe konnte ich ihn herumwuseln sehen – und es zauberte sofort ein kleines Lächeln auf mein Gesicht. Er freut sich auch jedes Mal, wenn er mich sieht. Der Altersunterschied ist immens groß, aber das macht uns gar nichts aus.

Die Rede ist von Herrn Lehmann (Name geändert).
Herr Lehmann arbeitet in meiner Stammtankstelle, ist über 70 Jahre alt und möchte seine kleine Rente etwas aufpolieren. Er ist zwischendurch etwas vergesslich. So kommt es oft vor, dass er mir an 3 Tankstopps in Folge ein und denselben Witz erzählt. Das sind dann diese typischen Altherren-Witze, aber ich lache und kringle mich, nur um in sein strahlendes Gesicht zu sehen, weil er mich ja aufgeheitert hat. Seit Jahren ist so eine kleine zarte Freundschaft gewachsen. Ich spreche ihn auch immer mit Namen an und irgendwann vor langer Zeit hielt ich ihm meine Hand entgegen und sagte: „Herr Lehmann, ich bin Melanie (meinen Nachnamen kann man sich schlecht merken).“ „Oh, Frau Melanie, das freut mich aber.“ Manchmal nennt er mich so, manchmal denke ich, er hat es vergessen. Aber das macht nichts. Unsere kleinen Schwätzchen, mag es auch noch so voll sein an der Kasse, sind stets Programm.

Herr Lehmann ist seit 4 Jahren Witwer und hat seine Frau an den Krebs verloren. Als ich einmal die einzige Kundin war, sollte ich kurz warten und er verschwand im Hinterzimmer, kam mit seiner Brieftasche zurück und zeigte mir Bilder von ihr. Von gemeinsamen Urlauben, von Geburtstagsparties und von Kindern und Enkelkindern. Als ich sah, dass er Tränen in den Augen hatte, hätte ich am liebsten auch losgeheult. Mir war vorher schon aufgefallen, dass er auch an fast allen Feiertagen, ob nun Ostern, Weihnachten oder Silvester immer abends oder nachts in der Tankstelle arbeitete. Nun wusste ich mit Gewissheit warum, weil er die Ablenkung besonders zu diesen Zeiten brauchte.

Ich schreibe oft über Leute oder Begegnungen, die mir den letzten Nerv rauben, heute wollte ich mal über einen netten, alten Herrn schreiben, der eine Seele von Mensch ist. Und das sage ich nicht nur, weil ich heute wieder einen Schokoriegel von ihm bekommen habe.

Wenn er wüsste, dass ich hier und jetzt über ihn schreibe, würde er sich sehr freuen. Und sollte ich ihn irgendwann nicht mehr dort antreffen, werde ich verdammt traurig sein.

4 Kommentare:

Smithee hat gesagt…

Arbeitet nicht ein älterer Herr in der Tanke an der Berrenrather/Ecke Weyertal?

Anonym hat gesagt…

Richtig, aber die Tanke meine ich nicht. Dieser unfreundliche alte Kauz dort hat es tatsächlich geschafft, dass ich diesen Laden seit langer Zeit boykottiere.

Wer mich um 20.40 Uhr anraunzt, weil er um 21 Uhr schliesst, ich es aber noch gewagt habe zu tanken und zwei Bier zu kaufen, der will wohl mein Geld nicht (zwei- dreimal passiert, dann hat´s gereicht).

Anonym hat gesagt…

Eine sehr schöne "Geschichte" :-))

Anonym hat gesagt…

Ja, dem "Herrn Lehmann" habe ich mal übersetzt, was ein englischsprechender Kunde von ihm wollte... Es ging um Handy-Prepaid-Karten. Beide waren glücklich, dass ich übersetzt habe und ich bin mit der stolzgeschwellten Brust eines Samariters auf die Autobahn in Richtung Bingen entschwunden... ;-)